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Verbrannt – Verboten – Vergessen

Lesung mit musikalischen Intermezzi zum Gedenken an die Bücherverbrennung 1933

16. Mai 2013

Literaturhaus Villa Clementine - 19.30 Uhr
Frankfurter Straße 1, Wiesbaden


Heinrich Mann - Gertud Kolmar - Kurt Tucholsky -  Erich Kästner - Armin T. Wegner
Lesung: Gottfried Herbe
Musikalische Intermezzi: Gert Zimanowski

Ab März 1933 im kam es im Zuge einer „Aktion wider den undeutschen Geist“ zu einer organisierten und systematisch vorbereiteten Verfolgung jüdischer, marxistischer und pazifistischer Schriftsteller. Geplant und durchgeführt wurde diese von der Deutschen Studentenschaft unter Führung eines Mitglieds des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB). Höhepunkt waren die am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz und in 21 anderen deutschen Universitätsstädten groß inszenierten öffentlichen Bücherverbrennungen, bei denen zehntausende Werke verfemter Autoren von Studenten, Professoren und NS-Organen ins Feuer geworfen wurden.
„Der Bücherverbrennung soll man gedenken – um der Ohnmacht willen, die sich erdreistete, Scheiterhaufen zu errichten für Geisteswerke; als ob Geisteswerke nicht feuerfest wären.“ (Heinrich Mann)
Zu Wort kommen sollen neben Heinrich Mann auch solche, deren Werke nach 1945 in Vergessenheit gerieten, die ermordet wurden, die durch die Verfolgung verstummt und  zerbrochen sind wie Getrud Kolmar, Kurt Tucholsky oder Armin T. Wegner und als Zeugen Erich Kästner.

Veranstalter: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Evangelische Erwachsenenbildung, Büchergilde, Literaturhaus

Heinrich Mann, geb. 1871 in Lübeck; gest. 1950 in Santa Monica, Kalifornien:
Die kleine Stadt (1909)

Das Städtchen Palästrina in der Nähe von Rom diente als Modell für Die kleine Stadt. Hier hielt sich Heinrich Mann von 1895-1898 mit seinem Bruder Thomas auf und lernte italienische Lebensart kennen.
Die kleine Stadt gerät durch die Ankunft einer Theatertruppe, eingeladen von einer Gruppe fortschrittlich gesinnter Bürger, in Verwirrung und Aufruhr. Erstarrte, überkommene Strukturen und Autoritäten werden sicht- und durchschaubar und in Frage gestellt. Das Städtchen zerfällt in zwei Lager, die sich heftig bekriegen. In wiederholt wechselnden Konstellationen verbinden sich die Schicksale der fahrenden Künstler mit denen der Bürger; die Partei der Fortschrittlichen geht als Sieger hervor.
Heinrich Mann wollte den sprachlich höchst kunstvoll und atmosphärisch dicht komponierten Roman weniger als eine unterhaltsame Geschichte aus einer fremden Welt verstanden wissen denn als politische Aussage, als einen utopischen Gegenentwurf zur politisch unmündigen Gesellschaft der Wilhelminischen Ära. »Was hier klingt. ist das hohe Lied der Demokratie. Es ist da, um zu wirken in einem Deutschland, das ihr endlich zustrebt.“


Gertud Kolmar (Pseudonym für Gertud Käthe Chodziesner) , geb. 1894 in Berlin; ermordet vermutlich 1943 in Auschwitz:
Gedichte. Auswahl und Nachwort von Ulla Hahn (1983)

Der erste Gedichtband von Gertrud Kolmar erschien 1917. Zu Lebzeiten gab es nur zwei weitere Buchveröffentlichungen: 1934 wurde der herausgebende Verlag boykottiert und der dritte Band wurde nach der Veröffentlichung 1938 eingestampft.
Zögerlich erschienen nach 1945 einige Gedichtbände, zwei Romane und ein Band mit Dramen. Eine erste kritische Ausgabe des Lyrischen Werks - es umfasst 450 Werke – erschien 2003.
Obwohl sie als Klassikerin der Moderne bezeichnet wird, als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen gilt und in eine Reihe mit Nelly Sachs und Else Lasker-Schüler gestellt wird, ist Gertrud Kolmar bis heute weitgehend unbekannt geblieben.
In ihrer Lyrik entfaltet die Dichterin eine ganz eigene, komplexe Bildwelt, mit der sie ihre zentrale Lebensthematik, das Spannungsverhältnis zwischen Ohnmacht und Allmacht, aufzeigt. Das gilt für das Verhältnis zwischen Mann und Frau, Mensch und Natur, Außenseitern und Etablierten wie auch für ihre Erfahrungen der Ausgrenzung und Verfolgung als Jüdin.


Kurt Tucholsky, geb. 1890 in Berlin; gest. 1935 in Göteborg
Ratschläge für einen schlechten Redner – Ratschläge für einen guten Redner (1930, Weltbühne)

Als politischer Journalist kämpfte Kurt Tucholsky für die Demokratie und die Weimarer Republik. Er schrieb gegen die Erstarkung der politischen Rechten und warnte schon frühzeitig vor der Bedrohung durch die Nationalsozialisten.
Die meisten Texte des Schriftstellers und Literaturkritikers sind geprägt von einem speziellen Witz. Ironisch und mit satirischer-Schärfe aber auch heiter und locker kommentierte er die herrschenden Gesellschaftsverhältnisse. Zu dieser Gattung gehören seine Ratschläge für Redner, die er unter dem Pseudonym Peter Panter 1930 in der Vossischen Zeitung veröffentlichte.
Enttäuscht darüber, dass alles Schreiben und Reden für den Erhalt der Demokratie und gegen den Nationalsozialismus keine Erfolge zeigten, verließ Kurt Tucholsky 1930 Deutschland und ließ sich in Schweden nieder, wo er publizistisch weitgehend verstummte.


Armin T. Wegner, geb. 1886 in (Wuppertal-) Elberfeld; gest. 1978 in Rom
Brief an Hitler (1933)

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Armin T. Wegner mit seinen Gedichten bekannt. In den Reisereportagen der Zwischenkriegszeit ist sein Suchen nach tieferen Wahrheiten und Erkenntnissen ständig präsent.
Berühmt wurde er bei seinen Zeitgenossen durch seine Aufrufe gegen den Krieg und seine Offenen Briefe im Dienst der Menschlichkeit. Unvergessen ist sein Eintreten gegen den Völkermord an den Armeniern (Offener Brief an US-Präsident Woodrow Wilson 1919) und gegen die beginnende Judenverfolgung (Brief an Hitler 1933). Daraufhin wurde er von der Gestapo verhaftet, gefoltert und für vier Monate in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert. Nach seiner Entlassung emigrierte Achim T. Wegner über England und Palästina nach Italien, wo er bis zum seinem Tod im Exil lebte. Der Verlust der Heimat führte zu einer Schaffenskrise. In Deutschland ist Armin T. Wegner heute weitgehend vergessen.


Erich Kästner, 1899 in Dresden; gest.
Kann man Bücher verbrennen? (Die Neue Zeitung, 1947); Über das Verbrennen von Büchern (Ansprache auf der P.E.N-Tagung 1953)

Der erste Weltkrieg machte Erich Kästner zum Antimilita-risten und doch emigrierte er 1933 nicht aus dem natio-nalsozialistischen Deutschland – weil er Chronist der Ereignisse sein wollte. Und er war Zeuge und Chronist, als am 10. Mai 1933 unter den Zurufen von Goebbels und einer großen Zuschauermenge in Berlin die Bücher von hunder¬ten Schriftstellern in das Feuer geworfen wurden.
In den beiden Texten beschreibt Erich Kästner, wie er die Bücherverbrennung erlebt hat und setzt sich mit  seinem Schweigen auseinander.
Erich Kästner wurde mehrmals von der Gestapo vernommen, aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen und nicht in die Reichsschriftumskammer aufgenommen. Allerdings hat Kästner unter Pseudonym sehr viel und sehr erfolgreich publiziert und die nationalsozialistische Unterhaltungsindustrie weiterhin kritiklos beliefert.