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Gesellschaft CJZ Wiesbaden e.V.

Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Wiesbaden e.V.
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Unsere Geschichte

70 Jahre Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Wiesbaden (1948-2018)

Am Anfang stand die Idee der „Reeducation“. So nannte die US-amerikanische Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg all jene Bemühungen, die zum Ziel hatten, eine Wiederkehr des Nationalsozialismus zu verhindern. Teil dieses umfassenden Programms war die Gründung von Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) in den größeren Städten der amerikanischen Besatzungszone. Die Gesellschaften sollten, vergleichbar der „National Conference of Christians und Jews“ in den Vereinigten Staaten, auf die gesellschaftliche Entwicklung im Sinne religiöser Toleranz und einer humanen Grundorientierung wirken. Im Gegensatz zu dieser allgemeinen Ausrichtung rückten die deutschen Gesellschaften den christlich-jüdischen Dialog - vor allem als Reaktion auf den deutschen Völkermord an den europäischen Juden – zunehmend in den Mittelpunkt ihrer Arbeit.

Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Wiesbaden wurde am 17. November 1948 gegründet, als zweite der heute 83 Gesellschaften in Deutschland. Zur Gründungsversammlung im Taunus-Hotel hatte die US-amerikanische Militärregierung nach vorbereitenden Gesprächen Wiesbadener Honoratioren eingeladen. Nach amerikanischem Vorbild wurden drei gleichberechtigte Vorsitzende gewählt: die Rechtsanwälte Kurt Kaufmann (katholisch) und Alfred Mayer (jüdisch) sowie der Zahnarzt Ernst Siegfried Morgen (evangelisch). Zudem kam im Februar des nächsten Jahres mit dem vergleichenden Religionswissenschaftler Fritz Reich ein hauptamtlicher Geschäftsführer hinzu. Die Mitglieder, die gewonnen werden konnten, entstammten überwiegend dem Bildungsbürgertum. Ihre Zahl stieg bis Ende der 50er Jahre auf 168 Personen.

Neben dem interreligiösen Gespräch und dem Kampf gegen den aktuellen Antisemitismus bemühten sich die Gesellschaften nach und nach, je nach Stadt recht unterschiedlich, auch um eine Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit und nahmen damit ein Thema auf, was bis dato - ganz im Gegensatz zu heute - im öffentlichen Raum weitgehend ausgeblendet wurde.

In der Anfangszeit wurde die Arbeit der Gesellschaft von amerikanischen Stellen finanziert. Ab Anfang der 1950er Jahre bildeten Zuschüsse des Landes Hessen (seit vielen Jahren auch der Stadt Wiesbaden), Spendengelder und Mitgliedsbeiträge die finanzielle Basis, mit der vor allem öffentliche Veranstaltungen ausgerichtet und vielfältiges Informationsmaterial für Schulen und Erwachsenenbildung bereitgestellt wurde.

19951 wurde in Bad Nauheim der „Deutsche Koordinierungsrat“ (DKR) als Dachverband der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet, dem die heute 87 Gesellschaften in Deutschland angehören.

Die Präambel der ersten Satzung enthält allgemeine humanistische, auf den Menschrechten beruhende Grundsätze, ohne auf die die Gründung veranlassende Geschichte – Nationalsozialismus, Ermordung der Juden, Zweiter Weltkrieg – einzugehen. So wird der Zweck der Gesellschaft mit der Aufgabe beschrieben, Vorurteile und Missverständnisse zwischen Menschen verschiedner gesellschaftlicher, religiöser und rassischer Herkunft zu bekämpfen und zu überwinden.

Mit öffentlichen Vorträgen, einem Erziehungs- und Jugendausschuss, Bereitstellung von Material für Schulen und die Erwachsenenbildung, wurden die humanistischen Grundsätze vermittelt. Einen Schwerpunkt der Arbeit in den Anfangsjahren bildete die Unterstützung von sog. „Mulattenkinder“, die insbesondere im Raum der amerikanischen Besatzungszone Opfer von Diskriminierung und Vorurteilen waren.

In der ersten Hälfte der 1950er Jahre waren Themen wie Judenverfolgung, Holocaust und Nationalsozialismus kein Thema für die Wiesbadener Gesellschaft. Es gab noch keine spezifische christlich-jüdische Zusammenarbeit. Die Einrichtung eines „religiösen Ausschusses“ kam auch wegen Bedenken der Vertreter der christlichen Kirchen nicht zustande, da diese theologische Nivellierung befürchteten.

Ab Mitte der 1950er Jahre wurde dann, wie in zuvor schon in anderen Gesellschaften, der Holocaust vermehrt thematisiert, durchaus nicht einvernehmlich innerhalb der Gesellschaft und teilweise mit wenig Interesse von Seiten der Wiesbadener bedacht. Mit dieser Neuorientierung trug die Wiesbadener Gesellschaft entscheidend zu einer neuen Gedenkkultur bei, in welcher der Holocaust erst als erinnerungswürdig begriffen wurde.

Bereits 1949 trat die Gesellschaft mit einer bedeutenden Veranstaltung an die Öffentlichkeit. Bundespräsident Theodor Heuss hielt in Wiesbaden seine berühmt gewordene Rede, in der er den Vorwurf einer Kollektiv-Schuld der Deutschen zurückwies und stattdessen von einer Kollektiv-Scham sprach.

Seit 1952 findet alljährlich eine „Woche der Brüderlichkeit“ in Wiesbaden statt. Wie in allen Teilen des Landes werden aus diesem Anlass Veranstaltungen durchgeführt, um auf die Zielsetzung der Gesellschaften und auf das jeweilige Jahresthema hinzu weisen. Eröffnet wird die Woche der Brüderlichkeit in der Regel mit einem Festakt, der in den ersten Jahren im Theater und dann bis heute im Hessischen Landtag stattfand und findet. Dafür wurden und werden renommierte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gewonnen wie beispielsweise Weihbischof Walther Kampe, Kirchenpräsident Martin Niemöller; Landesrabbiner Nathan Levinson, der damalige ZDF-Intendant Karl Holzamer; Bischof Walter Kamphaus, der Historiker Götz Aly; Bundestagsvizepräsidentin Karin Göring-Eckardt, der ehemalige Ratspräsident der EKD Nikolaus Schneider, der ehemalige israelische Botschafter Avi Primor, die Filmproduzentin Gabriela Sperl und zuletzt Professor Doron Kiesel, wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Das Verhältnis zur Jüdischen Gemeinde war zu Anfang begreiflicherweise distanziert. Die Zusammenarbeit wurde von einzelnen Personen getragen. Seit Anfang der 1950er Jahre wird das Gedenken an die Reichspogromnacht immer gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde veranstaltet, seit Mitte der 80-er Jahre ist auch die Stadt Mitveranstalter.

Im Laufe der Jahre kam es zunehmend zu gemeinsamen Angeboten. Bereits in den 1960er Jahren fungierte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Friedrich Reichmann, als jüdischer Vorsitzender der Gesellschaft. Das Verhältnis zur Jüdischen Gemeinde ist seit vielen Jahren ausgezeichnet und heute vom gegenseitigen Bemühen um Verständigung und von großer Offenheit geprägt. Zur schönen Tradition geworden ist der Abend der Begegnung in der Jüdischen Gemeinde im Rahmen der alljährlichen Woche der Brüderlichkeit.

Die 1994 vom DKR verabschiedete Präambel ist heute Leitlinie für die Arbeit der Gesellschaft: Sie setzt sich ein für die Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Juden und Christen bei gegenseitiger Achtung aller Unterschiede, für ein weiteres Umdenken in den christlichen Kirchen im Verhältnis zur jüdischen Religion, für die Entfaltung ungehinderten jüdischen Lebens in Deutschland.

Mit jeweils wechselnden Schwerpunktsetzungen sind dies die drei Grundpfeiler der thematischen Arbeit der GCJZ: der christlich-jüdische Dialog, das Eintreten gegen Antisemitismus und die Erinnerung an den Holocaust.

Der immer wieder aufkeimende Antijudaismus und Antisemitismus, neue Formen des Gedenkens, die Auswirkungen des Nahost-Konflikts auf das christlich-jüdische Verhältnis, sind einige der Themen, denen wir uns heute zu stellen haben.